ATEX-Produktrichtlinie 2014/34/EU
Potentielle Zündquellen:
Das Vorhandensein eigener potentieller Zündquellen ist ein bestimmendes Element für die Einstufung als Gerät i. S. der Richtlinie 2014/34/EU. Die Zündquellen werden in ihrer Wirkung häufig unterschätzt oder nicht erkannt. Ihre Wirksamkeit, d. h. die Fähigkeit explosionsfähige Atmosphäre zu entzünden, hängt u. a. von der Energie der Zündquelle und von den Eigenschaften der explosionsfähigen Atmosphäre ab.
Tabelle: Zündquellenarten nach EN 1127-1
Art der Zündquelle |
Zündvorgang
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Schutzmaßnahmen |
Heiße Oberflächen |
Kommt explosionsfähige Atmosphäre mit erhitzten Oberflächen (heiße Rohrleitungen, Heizkessel, heiße Lagerstellen) in Berührung, kann es zu einer Entzündung kommen.
Die eine Entzündung auslösende Temperatur hängt von Größe und Gestalt des erhitzten Körpers, vom Konzentrationsgefälle im Bereich der Wand und z.T. auch vomWandmaterial ab. Drehenden Teile in Lagern, Wellendurchführungen, Stopfbuchsen usw. bei ungenügender Schmierung zu Zündquellen werden. |
Überwachung der Oberflächentemperaturen,
Konstruktive Maßnahmen, Werkstoffauswahl, |
Flammen und heiße Gase |
Flammen sind exotherme chemische Reaktionen, die bei Temperaturen von etwa 1.000 °C und mehr schnell ablaufen und häufig von Leuchterscheinungen begleitet sind. Als Reaktionsprodukte treten heiße Gase, bei Staubflammen oder rußenden Flammen auch glühende Feststoffpartikel auf. Sowohl die Flammen selbst als auch die heißen Reaktionsprodukte können explosionsfähige Atmosphäre entzünden. Flammen, auch sehr kleiner Abmessungen, zählen zu den wirksamsten Zündquellen.
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Begrenzung der Temperatur, Abscheidung zündfähiger Partikel, Verhindern von Gasrücktritt und Flammendurchschlägen |
Mechanisch erzeugte Funken |
Durch Reib-, Schlag- und Schleifvorgänge können aus festen Materialien Teilchen abgetrennt werden, die eine erhöhte Temperatur auf Grund der beim Trennvorgang aufgewandten Energie annehmen. Bestehen die Teilchen aus oxidierbaren Substanzen, wie z.B. Eisen oder Stahl, können diese Teilchen auf Grund des Oxidationsprozesses auf Temperaturen bis weit über 1.000 °C gelangen; die Teilchen werden zu Funken.
Beim Schweißen und Schneiden entstehende Schweißperlen sind Funken mit sehr großer Oberfläche und sie gehören deshalb zu den wirksamsten Zündquellen. Der wirksame Zündvorgang wird durch eine bei der Schlagbeanspruchung ausgelöste aluminothermische Reaktion (Eisenoxid/Aluminium) eingeleitet. Die Menge des beteiligten Aluminiums oder Magnesiums braucht nicht mehr als 10^-3 g zu betragen. Bei energiereichen Schlägen mit einer Schlagenergie von 200 J und mehr von hartem Stahl auf ebenfalls sehr hartes Metall und beim Gebrauch von Trennscheiben entstehen Funken mit weit höherer als der o.g. Zündenergie. [160] Funken mit größerer Zündfähigkeit können auch bereits durch leichte Schläge (Größenordnung 1 J) von beliebigem Material auf rostigen Stahl entstehen, wenn an der Schlagstelle Spuren von Aluminium oder Magnesium vorhanden sind. Sogar Schlagwerkzeuge aus sogenannten funkensicheren Materialien (Kupfer, Monel, Berylliumbronze usw.) können zu derartigen Funken führen. |
Begrenzung der Relativgeschwindigkeit auf < 1 m/s Ersatz ungünstiger Werkstoffe bzw. Werkstoffpaarungen Bei Maschinen z. B. Ventilatoren sind die Spaltabmessungen zwischen rotierenden und feststehenden Teilen zu beachten. Günstige Werkstoffpaarungen |
Elektrische Anlagen |
Bei elektrischen Betriebsmitteln z. B. MSR-Einrichtungen, Motoren können selbst bei geringen Spannungen elektrische Funken (z.B. beim Öffnen und Schließen elektrischer Stromkreise und bei Ausgleichsströmen und heiße Oberflächen als Zündquellen auftreten.
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Wirksame Schutzmaßnahmen nach den entsprechenden Normen vorsehen |
Elektrische Ausgleichsströme, kathodischer Korrosionsschutz |
In elektrisch leitfähigen Anlagen oder Anlageteilen können zeitweise oder dauernd Ausgleichsströme (auch Streu- oder Leckströme genannt) fließen.
- als Rückströme zu Stromerzeugungsanlagen (insbesondere im Bereich vor elektrischen Bahnen und großen Schweißanlagen), wenn z.B. im Erdreich verlegte elektrisch leitfähige Anlageteile wie Schienen, Rohre und Kabelmäntel den Widerstand dieses Rückstromweges verringern, - infolge von Körper- oder Erdschluss bei Fehlern in elektrischen Anlagen, - infolge von Induktion (z.B. in der Nähe von elektrischen Anlagen mit großen Stromstärken oder hohen Frequenzen - infolge von Blitzschlag Werden derartige Anlageteile getrennt, verbunden oder überbrückt, kann selbst bei geringen Potentialdifferenzen durch elektrische Funken explosionsfähige Atmosphäre entzündet werden. Ferner sind Entzündungen durch Erwärmung dieser Stromwege möglich Bei Anwendung des kathodischen Korrosionsschutzes mit Fremdstromeinspeisung ist ebenfalls mit den genannten Zündgefahren zu rechnen. Bei Einsatz von Verlustanoden sind dagegen Zündgefahren durch elektrische Funken in der Regel nicht zu erwarten. |
Potentialausgleich bzw. zusätzliche Überbrückungen erforderlich Kathodischer Korrosionsschutz nach den einschlägigen Vorschriften ausführen. |
Statische Elektrizität |
Als Folge von Trennvorgängen, an denen mindestens ein aufladbarer Werkstoff beteiligt ist, können unter bestimmten Bedingungen zündfähige Entladungen statischer Elektrizität auftreten.
Besonders leicht kann die Entladung aufgeladener, isoliert angeordneter leitfähiger Teile zu zündfähigen Funken führen. An aufgeladenen Teilen aus nicht leitfähigen Stoffen, zu denen die meisten Kunststoffe, aber auch andere Stoffe, gehören, sind Büschelentladungen und in besonderen Fällen bei schnellen Trennvorgängen (z.B. Ablaufen von Folien über Walzen, Treibriemen) auch Gleitstielbüschelentladungen möglich. |
Einsatz nur leitfähiger/ableitfähiger Materialien Ableitfähig ist ein Stoff oder ein Material mit einem spezifischen Widerstand von mehr als 104 Wm und weniger als 109 Wm oder ein Gegenstand oder eine Einrichtung mit einem Oberflächenwiderstand zwischen 104 W und 109 W gemessen bei 23 °C und 50 % relativer Luftfeuchte oder mit einem Oberflächenwiderstand zwischen 104 W und 1011 W gemessen bei 23 °C und 30 % relativer Luftfeuchte. Entsprechende Schutzmaßnahmen nach BGR 132 vorsehen Gefährliche Entladungen aus Isolatoroberflächen lassen sich durch eine Erhöhung der Oberflächenleitfähigkeit oder der relativen Luftfeuchtigkeit auf mindestens 65 % vermeiden. |
Blitzschlag
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Wenn ein Blitz in explosionsfähige Atmosphäre einschlägt, wird diese stets gezündet. Daneben besteht eine Zündmöglichkeit auch durch starke Erwärmung der Ableitwege des Blitzes.
Von Blitzeinschlagstellen aus fließen starke Ströme, die auch in größeren Entfernungen nach allen Richtungen von der Einschlagstelle zündfähige Funken und Sprühfeuer auslösen können. |
Überspannungsableiter an geeigneten Stellen einbauen
Potentialausgleich erfordrelich Geeignete Blitzschutzanlagen vorsehen |
Elektromagnetische Felder im Bereich der Frequenzen von 9 kHz bis 300 GHz
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Elektromagnetische Felder gehen von allen Anlagen aus, die hochfrequente elektrische Energie erzeugen und benutzen (Hochfrequenzanlagen). Dazu gehören beispielsweise Funksender (z.B. Handy) oder medizinische, wissenschaftliche und industrielle Hochfrequenzgeneratoren zur Erwärmung, Trocknung, Härtung und zum Schweißen oder Schneiden.
Sämtliche im Strahlungsfeld befindlichen leitenden Teile wirken als Empfangsantenne, sogenannte Empfangsgebilde und können bei ausreichender Stärke des Feldes und genügender Größe der Empfangsgebilde eine explosionsfähige Atmosphäre entzünden. |
In allen Richtungen ein Sicherheitsabstand zwischen Sendeantenne und Empfangsgebilden im explosionsgefährdeten Bereich zu beachten.
Bei Sendeantennen mit Richtcharakteristik ist zu beachten, dass der Sicherheitsabstand richtungsabhängig sein kann. Nur zugelassene und geeignete Hochfrequenzgeräte eingesetzen. |
Elektromagnetische Strahlung im Bereich der Frequenzen von 3 · 10^11 Hz bis 3 · 10^15 Hz bzw. Wellenlängen von 1000 µm bis 0,1 µm (optischer Spektralbereich)
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Strahlung im optischen Spektralbereich kann insbesondere bei Fokussierung durch Absorption in explosionsfähiger Atmosphäre oder an festen Oberflächen zur Zündquelle werden.
Sonnenlicht kann z.B. eine Zündung auslösen, wenn Gegenstände eine Bündelung der Strahlung herbeiführen (z.B. gefüllte Spritzflasche, Hohlspiegel usw.). Bei Laserstrahlung (z.B. Nachrichtenübermittlung, Entfernungsmesser, Vermessungswesen, Sichtweitenmessgeräte) kann auch in großen Entfernungen noch die Energie- bzw. Leistungsdichte selbst des unfokussierten Strahles so groß sein, dass Zündung möglich ist. |
Bestrahlungsstärke begrenzen
Nur zugelassene und geeignete Geräte einsetzen. |
Ionisierende Strahlen
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Ionisierende Strahlung, erzeugt z.B. durch UV-Strahler, Röntgenröhren, Laser, radioaktive Stoffe, Beschleuniger oder Kernreaktoren, kann explosionsfähige Atmosphäre (insbesondere explosionsfähige Atmosphäre mit Staubpartikeln) infolge Energieabsorption entzünden. Darüber hinaus kann sich auch die radioaktive Quelle selbst durch Eigenabsorption von Strahlungsenergie so hoch erwärmen, dass die Zündtemperatur umgebender explosionsfähiger Atmosphäre überschritten wird.
Unter Einwirkung ionisierender Strahlung können durch Radiolyse und chemische Zersetzung oder Umwandlung, insbesondere bei Bildung sehr reaktionsfähiger Radikale, explosionsfähige Stoffe und Gemische erzeugt und damit weitere Explosionsgefahren geschaffen werden. |
Die Energie eines Strahlungsimpulses oder der Energiefluss (Leistung) einer Dauerstrahlung so gering halten, dass sie die explosionsfähige Atmosphäre nicht zünden kann
oder die Strahlung sicher eingeschließen, so dass 1.jegliches Entweichen von Strahlung, die explosionsfähige Atmosphäre zünden könnte, aus der Umschließung in den gefährdeten Bereich sicher verhindert wird und dass keine durch die Strahlung erhitzen Oberflächen auftreten, an denen sich explosionsfähige Atmosphäre außerhalb der Umschließung entzünden könnte 2.die explosionsfähige Atmosphäre nicht in die Umschließung eindringen, oder eine im Inneren der Umschließung auftretende Explosion nicht in den gefährdeten Bereich übergreifen kann. |
Ultraschall
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Bei Anwendung von Ultraschall werden große Anteile der vom Schallwandler abgegebenen Energie von festen oder flüssigen Stoffen absorbiert. Im beschallten Stoff tritt dabei infolge innerer Reibung eine Erwärmung auf, die in Extremfällen bis über die Zündtemperatur führen kann
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Ultraschall nur anwenden, wenn durch die erzeugte Schallleistung keine Zündgefahr ausgeht.
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Adiabatische Kompression, Stoßwellen, strömende Gase
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In Stoßwellen und bei adiabatischer Kompression können so hohe Temperaturen auftreten, dass explosionsfähige Atmosphäre (auch abgelagerter Staub) entzündet werden kann. Die Temperaturerhöhung hängt im wesentlichen vom Druckverhältnis, nicht aber von der Druckdifferenz ab.
Stoßwellen bilden sich z.B. beim plötzlichen Entspannen von Hochdruckgasen in Rohrleitungen aus. Sie dringen dabei mit Überschallgeschwindigkeit in Gebiete niederen Druckes vor. Bei ihrer Beugung oder Reflektion an Rohrkrümmungen, Verengungen, Abschlussflanschen, geschlossenen Schiebern oder dergleichen treten besonders hohe Temperaturen auf. In Abgangsleitungen von Luftverdichtern und in nach- und zwischengeschalteten Behältern können durch Kompressionszündung von Schmierölnebeln Explosionen auftreten. |
Gefährliche Stoßwellen und Kompressionen lassen sich in der Regel ausschließen, wenn sich z.B. Schieber und Ventile zwischen Anlageteilen mit großen Druckverhältnissen zwangsläufig nur langsam öffnen lassen.
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Chemische Reaktionen
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Durch chemische Umsetzungen unter Wärmeentwicklung können Stoffe oder Stoffsysteme sich erhitzen und dadurch zur Zündquelle werden.
Die den Selbsterhitzungen zugrunde liegenden Reaktionen können schon bei Raumtemperatur ablaufen. Nur verlaufen sie bei niedrigen Temperaturen in der Regel so langsam, dass die dabei freiwerdende Wärme im allgemeinen schnell an die Umgebung abgeleitet wird, so dass das System auf konstanter Temperatur verharrt. Durch Behinderung derWärmeableitung oder durch Lagerung bei erhöhter Temperatur kann jedoch die Reaktionsgeschwindigkeit zunehmen, bis schließlich die zur Entzündung notwendigen Voraussetzungen erreicht sind. |
Stoffe, die zur Selbstentzündung neigen, möglichst zu vermeiden
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