www.druckgeraete-online.de
Dichtungskennwerte für Flanschberechnungen
- Flanschberechnungen mit Dichtheitsnachweis erfordern verlässliche Dichtungskennwerte -
1. Einführung
Für die Bestätigung der sicheren Funktion einer Flanschverbindung sind Dichtheitsnachweise und Festigkeitsnachweise durchzuführen. Bei Dichtheitsnachweisen muss der Nachweis erbracht werden, dass die Konstruktion aus dem System Flansch, Dichtung und Schraube sicherstellt, dass die zulässigen Leckagen sowohl im Einbauzustand als auch während des Betriebes nicht überschritten werden. Allerdings ist der Dichtheitsnachweis nicht in allen Regelwerken möglich, weil die Berechnungsverfahren und Materialkennwerte auf Erfahrungs- und Schätzwerte aufbauen (Taylor Forge-Verfahren)
z. B. AD 2000, ASME Code Sect. VIII Div. 1. Das Europäische Regelwerk über Flanschberechnungen, insbesondere mit der Normenreihe EN 1591, ist jedoch hierfür geeignet und bereits in Europäische Regelwerke für Druckbehälter (EN 13445) und Rohrleitungen (EN 13480) etalbiert. Das Berechnungsverfahren nach EN 1591-1 wird insbesondere dann angewandt, wenn
- unterschiedliche thermische Belastungen eine wesentliche Rolle spielen,
- die Schraubenspannungen durch die Anwendung eines definierten Anzugsverfahren kontrolliert werden,
- signifikante zussätzliche Belastungen (Kräfte und Momente) auftreten und
- die Dichheit von besonderer Bedeutung ist bzw. nachgewiesen werden muss.
2. Auswahl geeigneter Dichtungen
Als Vorraussetzung für die richtige Funktion der Flanschverbindung sind u. a. für den Einsatzzweck geeignete Dichtungen mit entsprechenden Dichtungskennwerten asuzuwählen. Neben dem Dichtungstyp sind auch die Langzeiteigenschaften wie Beständigkeit gegen das abzudichtende Fluid und die Änderung der Abdichteigenschaften bei längerem Einsatz zu bewerten. Die für die Berechung nach EN 1591 erforderlichen Kennwerte hinsichtlich der Abdichteigenschaften werden für Dichtungen nach der EN 13555 ermittelt. Andere Dichtungskennwerte die für Berechnungen nach dem Taylor-Forge-Verfahren verwendet werden (AD 2000-Regelwerk, ASME Code) beruhen auf Erfahrungen und Schätzungen (siehe auch Tabelle 1).
Tabelle 1: Dichtungskennwerte in unterschiedlichen Regelwerken
Regelwerk | Berechnungsverfahren der Flanschverbindung | Fundstellen für Dichtungskennwerte | relevante Dichtungskennwerte (siehe Anmerkung 2) |
EN 13480-3:2002 EN 13480-3/A2:2006 |
Anhang P | EN 1591-2:2008 und EN 13555:2004 |
Qmin(L); QSmin(L); Qmax; QSmax; EG; PQR |
EN 13445-3:2002 EN 13445-3/A10:2008 |
Abschnitt 11 | Anhang H | y; m |
Anhang G/GA | Tabelle G.9-1 bis G.9-6 Tabelle GA.9-1 bis 9-6 (siehe Anmerkung 1) |
Qmin(L); QSmin(L); Qmax; QSmax; EG; PQR |
|
ASME Code Sect. VIII Div. 1 | App. 2 | Sect. VIII Div. 1 | y; m |
AD 2000 | Merkblatt B 7/B 8 | B 7 Tafel 1 und 2 | k0; k1; KD |
KTA 3201.2 | Abschnitt A 2.9 | DIN 28090-1 (abgelöst durch EN 13555:2004) |
Durch die zurückgezogene DIN 28090-1 wird empfohlen, die äquivalenten Werte entspechend der EN 13555:2004 zu nutzen. |
Europ. Regelwerk | EN 1591-1 | EN 1591-2:2008 und EN 13555:2004 |
Qmin(L); QSmin(L); Qmax; QSmax; EG; PQR |
Anmerkung 1:
Die angebene Dichtungskennwerte sind unverbindliche und nur typische Werte. Es sollen vorzugsweise die vom Dichtungshersteller angegebene Werte verwendet werden
Anmerkung 2:
Qmin(L) hat teilweise die gleiche Funktion wie die Werte "y" im ASME Code oder AD 2000 B7. Aufgrund der unterschiedlichen Ansatzes der effekiven Dichtungsbreite und der Ermittlung der Kennwerte (der "y-Wert" beruht auf Erfahrungs- und Schätzwerte), können die beiden Werte nicht gleichgesetzt werden.
3. Dichtungskennwerte nach EN 13555
Die Dichtungskennwerte wird in einem festgelegten Verfahren unter Laborbedingungen unter idealisierten Prüfbedingungen ermittelt. Grundlage dieser Prüfung sind die entsprechenden Stauch-, Leckage- und Relaxationsversuchen nach EN 13555. Die Dichtungskennwerte müssen die Abdicht- und Verformungseigenschaften der Dichtung ausreichend beschreiben. Nach dem neuen Konzept der Flanschberechnung nach EN 1591 werden die Dichtungskennwerte in die Flanschberechnung mit einbezogen, um die Dichtheit und Festigkeit der Flanschverbindung zu gewährleisten. So werden z. B. sowohl für den Einbau- als auch für den Betriebszustand Grenzwerte der Flächenpressung gefordert, die den zulässigen Bereich angeben (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Definition der Dichtungskennwerten nach EN 13555
Dichtungskennwert | EN 13555 | Einheit | Beschreibung | Einfluss | Verwendung in der Flanschberechnung | Hinweise zum Dichtungskenntwert |
Einbau-Flächenpressung | QA | MPa | Die bei der Montage aufgebrachte Dichtungs-Flächenpressung. | Konstruktion (Flansch, Dichtungsart, Schrauben) | Auslastunggrad der Schrauben; Werkstoffauswahl der Schrauben |
Die Einbau-Flächenpressung wird in der EN 13555 nicht ermittelt |
Mindestflächenpressung im Einbauzustand für geforderte Dichtheitsklasse L |
Qmin(L) | MPa | Die mindest erforderliche Flächenpressung für eine bestimmte Leckageklasse L beim Einbau der Dichtung. Der Wert hängt im Wesentlichen vom Medium und dem Innendruck aber auch wesentlich von der Dichtheitsklasse ab. | Temperatur Dichtungsbreite Dichtungshöhe Rauhigkeit der Dichtflächen Innendruck p Dictheitsklasse L Medium |
Ermittlung der Mindestdichtungskraft im Einbauzustand | Ein niedriger Qmin(L)-Wert ist wünschenswert. |
Mindestflächenpressung im Betriebszustand für geforderte Dichtheitsklasse L |
QSmin(L) | MPa | Die mindest erforderliche Flächenpressung im Betrieb für eine bestimmte Leckageklasse L. Sie hängt im Wesentlichen von der Einbaufflächenpressung QA ab. Je höher diese ist, desto geringer ist QSmin(L). QSmin(L) ist immer kleiner als Qmin(L). | Dichtungsbreite Dichtungshöhe Rauhigkeit der Dichtflächen Innendruck p Einbauflächenpressung QA Dictheitsklasse L Medium Temperatur Beanspruchungsdauer |
Ermittlung der Mindestdichtungskraft im Betriebszustand | Niedriger Wert ist wünschenswert. Eine geringe Differenz zwischen zwei Qmin(L) -Werten bei unterschiedlich berücksichtigten Leckageraten sind ebenfalls wünschenswert, weil das eine geringe Empfindlichkeit auf Entlastung im Betrieb anzeigt. |
Höchstflächenpressung im Einbauzustand | Qmax | MPa | Die maximale Flächenpressung beim Einbau, mit der die Dichtung belastet werden darf, ohne das eine Beschädigung erfolgt. |
Dichtungsbreite Dichtungshöhe Rauhigkeit der Dichtflächen |
Ermittlung der max. zulässigen Dichtungskraft im Einbauzustand | Die Höchstflächenpressung Qmax erhält man, wenn bei der Flanschberechnung nach EN 1591 die zulässige Auslastungsgrad von Flansch, Schrauben oder Dichtung erreicht ist. |
Höchstflächenpressung im Betriebszustand |
QSmax | MPa | Die maximale Flächenpressung im Betrieb, mit der die Dichtung belastet werden darf, ohne das eine Beschädigung erfolgt. | Temperatur Dichtungsbreite Dichtungshöhe Rauhigkeit der Dichtflächen |
Ermittlung der max. zulässigen Dichtungskraft im Betriebszustand | Hoher QSmax-Wert ist wünschenswert. |
E-Modul (Sekantenmodul) | EG | MPa | Beschreibt die Rückfederung (elastisches Verhalten) einer Dichtung bei Entlastung. | Einbauflächenpressung Dichtungshöhe Temperatur |
Ermittlung der Änderung der Dichtungskraft zwischen Einbau- und Betriebszustand |
Ein niedriger EG-Wert ist wünschenswert. |
Kriech-Relaxation | PQR | - | Entspricht dem Verhältnis der Flächenpressung der Dichtung nach Auslagerung bei der zu wählenden Temperatur zur ursprüngich aufgebrachten Einbau-Flächenpressung. Ideal wäre eine PQR-Wert von 1. Je näher der Versuchswert dem Idealen kommt, desto geringer ist der Flächenpressungsverlust der Dichtung. | Temperatur Dichtungsbreite Dichtungshöhe Rauhigkeit der Dichtflächen Einbauflächenpressung QA Steifigkeit C des Flanschsystems |
Ermittlung der Änderung der Flächenpressung bzw. der Dichtungskarf zwischen Einbau- und Betriebszustand | PQR <= 1
Hoher PQR-Wert ist wünschenswert. |
4. Dichtheitsklassen
Grundlage für die Dichtungskennwerte sind die definierten Dichtheitsklassen, die sich an bestimmte spezifischen Leckageraten orientieren. Die Dichtungskennwerte werden unter unterschiedlichen Prüfbedingungen (verschiedene Prüfdruck und Pressungen) die Abdichtungseigenschafen im Innendruckversuch ermittelt und den Dichtheitsklassen zugeordnet. Aufgrund dieser Zuordnung kann durch den rechnerischen Nachweis, dass die Grenzen der Dichtungskennwerte eingehalten werden, die entsprechende spezifische Leckagerate der Flanschverbindung garantiert werden.
Tabelle 3: Dichtheitsklassen
Dichheitsklasse
|
Spezifische Leckagerate [mg/(s*m)] Helium |
L1,0
|
≤ 1,0 |
L0,1
|
≤ 0,1 |
L0,01
|
≤ 0,01 |
L0,001
|
≤ 0,001 |
Siehe auch:
Fachbeitrag: Nachweisverfahren bei Flanschberechnungen (Dichtheit und Festigkeit)
Fachbeitrag: Die Verwendung des Flanschenwerkstoffes C22.8 für Druckgeräte
Fachbeitrag: Schraubenwerkstoffe im Anwendungsbereich der DGRL
© DRUCKGERÄTE ONLINE
(www.druckgeraete-online.de)