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Ermittlung des hydrostatischen Prüfdrucks PT
Zur Bestimmung des Prüfdrucks sind die temperaturabhängigen Werkstoff-Kennwerte zu berücksichtigen
1. Zweck der Festigkeitsprüfung
Die Festigkeitsprüfung wird im Rahmen der Schlussprüfung in Form einer hydrostischen Druckprüfung durchgeführt. Die am fertigen Druckgerät durchzuführende Druckprüfung soll den Nachweis erbringen, dass die geforderte Druckfestigkeit (keine signifikanten Undichtigkeiten oder Verformungen) erreicht wird.
2. Berücksichtigung temperaturabhängiger Festigkeitskennwerte bei der Ermittlung des Prüfdrucks
Der werkstoffspezifische Abfall der Festigkeitskennwerte mit steigender Temperatur ist bei der Druckprüfung zu berücksichtigen. Sofern die Prüftemperatur (in der Regel Raumtemperatur RT) unterhalb der max. zul. Auslegungstemperatur (in der Regel die max. zul. Betriebstemperatur TS) liegt, ist der Prüfdruckfaktor Fp = 1,25 mit dem Quotient "Festigkeitskennwerte bei Raumtemperatur K20" zu "Festigkeitskennwert bei Auslegungstemperatur KTS" zu multiplizieren (Formel (2)). Dadurch wird die unter Prüfbedingungen (in der Regel Raumtemperatur) vorhandene geringere Werkstoffbelastung (aufgrund der geringeren Temperatur) durch einen höheren Prüfdruck wieder kompensiert.
2.1 Berechnung des Prüfdrucks
(1) PT = PS * 1,43 oder
(2) PT= PS * 1,25 * K20 / KTS
Der höhere der beiden errechneten Prüfdrücke PT ist maßgebend.
Der Prüfdruckfaktor FP = 1,43 in Formel (1) bedeutet, dass im Prüfzustand ein Spannungsniveau von 95% der Streckgrenze entsprechend einem Rest-Sicherheitsbeiwert von 1,05 erreicht wird (die Aussage gilt nur bei einem berücksichtigten Sicherheitsbeiwert von 1,5).
Bei geringen Auslegungstemperaturen PS, wie sie beispielsweise bei druckhaltenden Ausrüstungsteilen vorkommen (Auslegung nach PN), ergibt Formel (1) der höhere Prüfdruck. Werden dagegen höhere Auslegungstemperaturen z. B. PT > 100 °C zugrundegelegt, wird Formel (2) der höhere Prüfdruck ergeben.
Bei der Ermittlung des Prüfdrucks sind alle wesentlichen drucktragende Bauteile (Mantel und Böden) zu berücksichtigen. Das Bauteil mit dem kleinsten Prüfdruckfaktor ist dann maßgebend für das komplette Druckgerät. Allerdings können auch höhere Prüfdruckfaktoren (sogar der größte ermittelte Prüfdruckfaktor FP) verwendet werden, wenn rechnerisch nachgewiesen wird, dass unter Prüfbedingungen die Auslastung der Berechnungsspannung eines jeden Bauteils max. 95% beträgt. Höhere Auslastungen sind nicht zulässig, da die Gefahr der plastischen Verformung bzw. Zerstörung einzelner Bauteile gegeben ist. Die Berechnung des Prüfdruckes kann online über den praktischen PT Calculator auf einfache Art und Weise durchgeführt werden.
Die vorgenannten Regelungen gelten für Druckbehälter, für druckhaltende Ausrüstungsteile, Rohrleitungen sowie für Baugruppen.
2.2 Beispiel für die Berechnung eines Prüfdrucks
Dieses Beispiel soll exemplarisch die Auswirkungen des temperarabhängigen Werkstoffkennwerst eines einzelnen Bauteils bei der Ermittlung des Prüfdrucks verdeutlichen:
Werkstoff: P265GH EN 10028-2
TS = 280 °C
PS = 100 bar
Wanddicke 20 mm
Zulässige Berechnungspannung bei Raumtemperatur: K20 = Re20 /1,5 = 255 MPa/1,5 = 170 MPa
Zulässige Berechnungspannung bei Auslegungstemperatur: KTS = ReTS /1,5 = 172 MPa/1,5 = 114,7 MPa
(1) PT = PS * 1,43 = 100 bar * 1,43 = 143 bar (2) PT = PS * 1,25 * 176/114,7 = 100 bar * 1,85 = 185 bar
PT = 185 bar
3. Zulässige Berechnungsspannung In der DGRL Anhang I Abschnitt 7 werden besondere quantitative Anforderungen in Bezug auf die zulässige Membranspannung (Berechnungsspannung) festgelegt, die in der Berechnung durch Sicherheitsbeiwerte berücksichtigt werden. So wird beispielsweise bei der Ermittlung der zul. Berechnungsspannung K ferritischer Stähle ein Sicherheitsbeiwert von 1,5 gegenüber der temperaturabhängigen Streckgrenze berücksichtigt (siehe Tabelle 1).
Werkstoff |
zulässige Berechnungsspannungen K |
Anmerkungen |
Streck-/Dehngrenze 1 |
Zugfestigkeit |
Ferritischer Stahl (ausgenommen Feinkornbaustahl und vergüteter Stahl) |
KTS = ReTS /1,5
(entspricht 66,6% Ausnutzung der zul. Streckgrenze bei Auslegungstemperatur)
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Rm20 /2,4
(entspricht 41,6% Ausnutzung der zul. Zugfestigkeit bei Raumtemperatur)
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Der jeweils niedrigere Wert gilt als zulässiger Wert für die Berechnungsspannung |
Austenitischer Stahl mit
- Bruchdehnung A5>30%
oder alternativ
- Bruchdehnung A5>35% |
Re0,2 TS /1,5
(entspricht 66,6% Ausnutzung der zul. 0,2-Dehngrenze bei Auslegungstemperatur)
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- |
- |
Re0,2 TS /1,2
(entspricht 83,3% Ausnutzung der zul. 0,2-Dehngrenze bei Auslegungstemperatur)
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RmTS /3,0
(entspricht 33,3% Ausnutzung der zul. Zugfestigkeit bei Auslegungstemperatur)
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Der jeweils niedrigere Wert gilt als zulässiger Wert für die Berechnungsspannung.
Temperaturabhängige Zugfestigkeiten werden in den europäischen Werkstoffnormen nur selten angegeben.
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Unlegierter oder niedriglegierter Stahlguss |
Re0,2 TS /1,9
(entspricht 52,6% Ausnutzung der zul. 0,2-Dehngrenze bei Auslegungstemperatur)
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Rm20 /3,0
(entspricht 33,3% Ausnutzung der zul. Zugfestigkeit bei Raumtemperatur)
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Der jeweils niedrigere Wert gilt als zulässiger Wert für die Berechnungsspannung |
Aluminium |
ReTS /1,5
(entspricht 66,6% Ausnutzung der zul. Streckgrenze bei Auslegungstemperatur)
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- |
- |
nichtaushärtbare Aluminiumlegierungen |
ReTS /1,5
(entspricht 66,6% Ausnutzung der zul. Streckgrenze bei Auslegungstemperatur)
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Rm20 /2,4
(entspricht 41,6% Ausnutzung der zul. Zugfestigkeit bei Raumtemperatur)
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Der jeweils niedrigere Wert gilt als zulässiger Wert für die Berechnungsspannung |
1 Die Streck-/Dehngrenze ist bezogen auf die Berechnungstemperatur (im allgemeinen TS) und bedeutet:
- die obere Streckgrenze bei Werkstoffen mit ausgeprägter Streckgrenze
- die 1,0%-Dehngrenze bei austenitischem Stahl und unlegierten Aluminium
- die 0,2%-Dehngrenze bei den übrigen Stählen
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