Wie ermittelt man die Berechnungstemperatur bei der Auslegung von Druckgeräten?
Für eine sichere Auslegung sind ggf. Temperaturzuschläge zu berücksichtigen
1. Allgemeines
Druckgeräte sind so auszulegen, dass die beabsichtigte Verwendung und anderen nach vernünftigen Ermessen vorhersehbaren Betriebsbedingungen (Stillstände, Störfälle) angemessen berücksichtigt werden. Aus sicherheitstechnischen Erwägungen müssen die beim Betrieb tatsächlich auftretenden Betriebsdingungen und daraus resultierenden Gefährdungspotentiale berücksichtigt werden. Dazu gehören auch die korrekte Ermittlung der Temperaturen, die bei der Auslegung des Druckgerätes bzw. der drucktragenden Teile zu berücksichtigen sind.
So kann bespielsweise In Wärmeübertragungsanlagen bei fehlender oder unzureichende Wärmeabgabe die Fluidtemperatur steigen. Der max. mögliche Anstieg ist zu ermitteln und bei der Bestimmung der Temperatur TSmax zu berücksichtigen.
Ein anderes Beispiel ist ein Warmwasserbereiter, der von einem Thermostat geregelt ist, und zur Erzeugung von Warmwasser von weniger als 110 °C bestimmt ist. Wenn die letzte Sicherheitseinrichtung, der Sicherheitstemperaturbegrenzer, auf 120 °C eingestellt ist, dann ist die zul. max. Temperatur TS mit (mindestens) 120 °C anzugeben bzw. für die Berechnungstemperatur mind. 120 °C zu berücksichtigen.
1.1 Definitionen
a) zulässige minimale/maximale Temperatur (TS):
Die vom Hersteller angegebene minimale/maximale Temperatur, für die das Druckgerät ausgelegt ist
(Art. 1 Abs. 2 Nr. 2.4 der Druckgeräterichtlinie)
b) Auslegungstemperatur (Td)
Die für die Festlegung der Berechnungstemperatur jedes Bauteils zugrunde gelegte Fluidtemperatur
(EN 764-1 + EN 13445-3 Abschnitt 3.10 und 5.3.7)
c) Berechnungstemperatur (T)
Werkstofftemperatur zur Berechnung eines Bauteils
(EN 764-1 + EN 13445-3 Abschnitt 3.5 + AD 2000-Merblatt B 0/Abschn. 5)
2. Ermittlung der Berechnungstemperatur
2.1 Allgemeine Hinweise
Die bei Normalbetrieb vorhandenen min./max. Fluidtemperaturen (TFluid) für das jeweilige Druckgerät/Bauteil ergeben sich aus den Prozessdaten und sind vom Betreiber/Besteller anzugeben.
Für die Auswahl der Werkstoffe und für die Festlegung des Festigkeitskennwertes ist die höchste bei dem jeweiligen max. zul. Druck PS zu erwartende Berechnungstemperatur maßgebend, die mindestens so groß sein muss
- wie die zu erwartende tatsächliche Wandtemperatur des jeweiligen Bauteils oder
- falls die Temperaturänderung über die Wanddicke bekannt ist, die mittlere Wandtemperatur
Anmerkung:
Wird mit der Berechnungstemperatur die Grenztemperatur des Zeitstandsbereiches für den jeweiligen Werkstoff erreicht oder überschritten, so sind die jeweiligen Anwendungsregeln für den Zeitstandsbereich anzuwenden z. B. AD 2000-Merkblatt S 6.
Für die Festlegung der Berechnungstemperatur sind vom Hersteller angemessene Sicherheitsmargen wie
- Zuschläge Tdelta aufgrund außergewöhnlicher Betriebsbedingungen wie Stillstand, Störungen usw. und/oder für Meßunsicherheiten bei der Temperaturmessung (siehe 2.2 und 2.3) sowie
- Zuschläge TZuschlag aufgrund der Beheizung zu berücksichtigen (siehe 2.3).
2.2 Ohne Beheizung
Bei unbeheizten Wandungen kann für die Berechnungstemperatur die zulässige max. Temperatur TSmax eingesetzt werden. Der dabei zu berücksichtigende Temperaturzuschlag (Tdelta) für außergewöhnliche Betriebsbedingungen und/oder für Messunsicherheiten bei der Temperaturmessung muss vom Hersteller ermittelt und festgelegt werden und ggf. zur Fluidtemperatur TFluid(max) hinzu addiert werden
zulässige max. Temperatur (TSmax):
|
TSmax = TFluid(max) + Tdelta
|
(1)
|
|
|
|
Berechnungstemperatur (T):
|
T = TSmax
|
(2)
|
2.3 Mit Beheizung
Bei Druckgeräten mit Beheizungen ist eine Erhöhung der Wandtemperatur zu erwarten, die durch entsprechende Zuschläge bei der Berechnungstemperaturermittlung berücksichtigt werden müssen.
zulässige max. Temperatur (TSmax):
|
TSmax = T Fluid(max) + Tdelta
|
(3)
|
|
|
|
Berechnungstemperatur (T):
|
T = TSmax + T Zuschlag
|
(4)
|
Angaben für die Zuschläge TZuschlag bei beheizten Druckgeräten/Bauteilen sind in der Druckgeräterichtlinie nicht explizit festgelegt. Auch die EN 13445-3 enthält hierzu keine Angaben.
2.3.1 Zuschläge für beheizte Druckgeräte nach AD 2000-Regelwerk
Gemäß AD 2000-Merkblatt B 0 sind für beheizte Druckgeräte/Bauteile nachstehende Temperaturzuschläge zu berücksichtigen:
Beheizungsart |
|
durch Gase, Dämpfe und Flüssigkeiten
|
|
Feuer-, Abgas oder elektrischer Heizung
|
bei abdedeckter Wand
|
|
bei unmittelbar berührter Wand
|
|
Tabelle 1: Berechnungstemperaturen bei beheizten Druckgeräten/Bauteilen
2.3.2 Zuschläge Wasser-/Dampf- und Heißwasserbereich nach AD 2000-Regelwerk
Gemäß AD 2000-Merkblätter B 0 und S 6 sind für Druckgeräte/Bauteile im Wasser-/Dampf- und Heißwasserbereich nachstehende Temperaturzuschläge zu berücksichtigen:
Aggregatzustand |
|
T Zuschlag
|
unbeheizte Teile**
|
beheizte Bauteile2)
|
überwiegend
durch
Strahlung
|
überwiegend durch Berührung
|
gegen Strahlung abgedeckt
|
Wasser- bzw. Wasserdampf-
gemisch
|
Sättigungstemperatur beim max. zul. Druck PS
(einschl. hydr. Säule)
|
0 K
|
50 K
bei Sammlern3);
(30+se) K
mind. 50 K
|
(12+s e) K,
höchstens 50 K
|
20 K
|
Heißdampf
|
Heißdampf
|
15 K4)
|
50 K
|
35 K
|
20 K
|
2) Definition der Beheizungsarten siehe Vereinbarung FDBR/VGB/VdTÜV 1988/1
3) Als Sammler gelten, unabhängig von der Durchströmung, rohrförmige Hohlkörper mit äußerem Durchmesser > 76,1 mm, in die drei oder mehr Rohre nicht axial einmünden.
4) Bei unbeheizten heißdampfführenden Bauteilen kann der Temperaturzuschlag von 15 K auf 5 K (Messtoleranz) vermindert werden, wenn sichergestellt ist, dass die bei der Auslegung vorgesehene Heißdampftemperatur nicht überschritten werden kann. Dies kann erreicht werden durch:
- Temperaturregelung vor diesen Bauteilen
- Anordnung von Kühl- oder Mischstellen (z. B. durch längsdurchströmte Sammler) vor diesen Bauteilen
- schaltungstechnische Maßnahmen vor diesen Bauteilen oder dergleichen
|
Tabelle 2: Berechnungstemperaturen im Wasser-/Dampf- und Heißwasserbereich
2.4 Sonderfälle
Bei Sonderfällen z. B. Ausmauerung ist die Berechnungstemperatur rechnerisch oder durch Messungen zu bestimmen.
2.5 Berechnungstemperaturen für Rohrleitungen
Gemäß EN 13480-3 Abschn. 4.2.3.5 ist die Berechnungstemperatur die maximale und normalen Betriebsbedingungen bei Berechnungsdruck die in der Mitte der Rohrleiitungswanddicke zu erwartende Temperatur. Sofern die miitlere Wandtemperatur nicht durch Prüfung oder Berechnung ermittelt werden kann, dürfen die in nachstehender Tabelle aufgeführten Berechnungstemperaturen nicht unterschritten werden:
|
Berechnungstemperatur (T)
|
|
Nicht isolierte Rohrleitungsteile
|
außen isolierte Rohrleitungsteile (2)
|
ausgekleidete Rohrleitungsteile
|
Rohre, Ventile, Böden, Einschweißformstücke, andere Bauteile mit der Rohrwanddicke vergleichbaren Wanddicke
|
T = 0,95 x T Fluid(max)
|
T = T Fluid(max)
Anmerkung (1)
|
Die Berechnungstemperatur ist festzulegen oder kann sich auf Wärmeübertragungsberechnungen stützen
|
Flansche (ausgenommen Flansche mit überlappstoß), Flansche an Formstücken und Armaturen
|
T = 0,90 x T Fluid(max)
|
Flansche mit Überlappstoß
|
T = 0,85 x T Fluid(max)
|
Verschraubungen
|
T = 0,80 x T Fluid(max)
|
Anmerkung (1):
Sofern nicht Berechnungen, Prüfung oder auf Messungen beruhende Erfahrungen im Betrieb die Verwendung anderer Berechnungstemperaturen rechtfertigen. Kühlung oder Beheizung durch Begeleitheizungen der Rohrleitungen können dabei berücksichtigt werden.
sie auch:
- Leitlinie 2/22
- Fachbeitrag: Welche Temperaturen sind bei der Auslegung und Einstufung von Druckgeräten nach der DGRL zu berücksichtigen?
© www.druckgeraete-online.de
|