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Leitlinie 3/4

Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)

Herausgeber:
LASI (Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik)

Akzeptiert vom LASI: Dezember 2012



Leitlinie zu:
zu § 3 Abs. 1 und 2 ProdSG „Vorhersehbare Fehlanwendung"



Sachverhalt:
Nach § 3 Abs. 1 und 2 ProdSG muss die Sicherheit und Gesundheit von Personen auch bei einer vorhersehbaren Verwendung eines Produkts gewährleistet sein. Entsprechend § 2 Nr. 28 ProdSG ist „die vorhersehbare Verwendung die Verwendung eines Produkts in einer Weise, die von derjenigen Person, die es in den Verkehr bringt, nicht vorgesehen, jedoch nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar ist.“

Frage:
Kann ein Hersteller durch Einschränkungen der bestimmungsgemäßen Verwendung eines Produktes die Anwendung einer Verordnung nach § 8 Abs. 1 ProdSG ausschließen?


Antwort:
Ein Wirtschaftsakteur stellt ein Produkt auf dem Markt bereit, dessen Zweck grundsätzlich vom Hersteller bestimmt wird. Das Produkt kann aber auch zweckentfremdet, nicht bestimmungsgemäß verwendet werden. Diese vorhersehbare Verwendung des Produkts (früher: Fehlanwendung) hat der Wirtschaftsakteur unter Vernunftsgesichtspunkten zu ermitteln. Dabei handelt es sich immer um eine Einzelfallbetrachtung.

Es sind (soweit möglich) zu berücksichtigen:
- die Besonderheiten der für das Produkt maßgeblichen Rechtsvorschriften,
- die gesellschaftliche Akzeptanz der verbleibenden Risiken,
- Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen und der Produktbeobachtung sowie
- der Kenntnisstand der Verwendergruppe (2).

Die nachfolgenden Aussagen können die tendenzielle Zuordnung eines Verhaltens zur vorhersehbaren Verwendung begründen und dienen zur Orientierung:

- Situationen, die rational begründbar sind, den üblichen Erfahrungen und dem gesunden Menschenverstand entsprechen.
(Beispiel: Berührung der Backofentür durch Kleinkinder).

- Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Verwendung des Produkts in einer bestimmten Weise vom Verwender als riskant erkannt wird.
(Beispiel: Verkettung von Mehrfachsteckdosen  Überhitzungsgefahr).

- Das Risiko der Verwendung des Produkts in einer bestimmten Weise wird als solches zwar vom Verwender erkannt, aber in der Höhe unterschätzt.
(Beispiel: Gabelstapler – Schnellkurvenfahrt / Fahren mit angehobener Last  Kippgefahr)
.

- Die Verwendung des Produkts in einer vom Hersteller nicht vorgesehenen Weise ist weit verbreitet und wird vom Verwender nicht mehr als Risiko wahrgenommen.
(Beispiel: Stecker wird am Kabel aus der Steckdose gezogen)
.

- Die Handlung ist aus Gründen der Bequemlichkeit des Menschen zu erwarten (Weg des geringsten Widerstandes).
(Beispiel: Kabeltrommel wird nicht vollständig abgewickelt)
.

- Verhalten im Falle einer Fehlfunktion, einer Störung oder eines Ausfalls während des Gebrauchs des Produkts.
(Beispiel: Beseitigung der Verstopfung am Einzugstrichter eines Gartenhäckslers)
.

- Verhalten aufgrund von Unachtsamkeit oder Konzentrationsmangel
(Beispiel: Verwechselung von Bedienteilen)
.

Zur Abwendung von Gefahren bei der vorhersehbaren Verwendung ist der Hersteller gehalten, Schutzmaßnahmen nach folgender Rangfolge zu treffen:

- 1. Inhärente Sicherheit

- 2. Technische und ergänzende Schutzmaßnahmen

- 3. Benutzerinformationen.

Nicht unter vorhersehbare Verwendung fallen z. B. folgende Verhaltensweisen:

- vorsätzliche Gesundheitsverletzung (z. B. Messer als Mordwaffe, Baseballschläger als Knüppel).

- vorsätzliche Zerstörung von Produkten (Vandalismus).

- vorsätzliches Außerkraftsetzen von Schutzeinrichtungen mit hohem Aufwand.

- Verwendung eines Produktes unter Missachtung anforderungsgerechter Benutzerinformationen.

(2) Sofern das Produkt nicht ausdrücklich für eine besondere Verwendergruppe vorgesehen ist (z. B. für Kinder oder für Personen mit Behinderung oder für Fachkräfte) kann der Hersteller von einem „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verwender" ausgehen (siehe auch Urteil des EuGH C-210/96). Maßstab ist nicht der „dümmste anzunehmende Verwender“.



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